BVerfG: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen erkennungsdienstliche Maßnahmen
2. September 2022
Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde eines Mannes gegen erkennungsdienstliche Maßnahmen (hier: Fingerabdrücke und Polizeifotos) hat das BVerfG (Beschl. v. 29.7.2022 – 2 BvR 54/22) entschieden, dass diese Maßnahmen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen.
Anfang Juli 2021 ordnete die Polizei an, einen vermeintlichen Sprayer gem. § 81 b Alt. 1 und 2 StPO erkennungsdienstlich zu behandeln und hierzu ein Fünfseitenbild, ein Ganzkörperbild, eine Personenbeschreibung, ein Spezialbild sowie einen Zehnfinger- und Handflächenabdruck anzufertigen. Zur Begründung führte die Anordnung u. a. aus, eine erkennungsdienstliche Behandlung sei notwendig, weil die „aufgeführten Maßnahmen“ zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich seien.
Nach erhobener Verfassungsbeschwerde des Betroffenen hat das BVerfG festgestellt, dass die Gerichte zur konkreten Notwendigkeit jeder einzelnen angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahme ausführen und eine Abwägung zwischen dem Interesse einer wirksamen Strafverfolgung und dem Grundrecht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung vornehmen müssen. Der Beschluss des LG werde diesen Anforderungen nicht gerecht. So sei die Anfertigung der Fingerabdrücke für die Strafverfolgung bereits nicht geeignet gewesen. Die Identifizierung des Täters habe so nicht erfolgen können, weil Finger- oder Handflächenabdrücke ausweislich der Ermittlungsakte am Tatort nicht sichergestellt worden seien. Ausführungen zur konkreten Notwendigkeit dieser erkennungsdienstlichen Maßnahmen seien weder dem landgerichtlichen Beschluss noch der in Bezug genommenen Begründung der polizeilichen Verfügung zu entnehmen. Auch hinsichtlich der Anfertigung eines Fünfseiten- und Ganzkörperbildes habe das LG die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung mangels Auseinandersetzung mit deren konkreter Notwendigkeit ebenfalls verkannt.